Der Baum Neuenfelde
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Drumherum /

Obstbau

Der fruchtbare Boden und das Meeresklima bilden eine gute Grundlage für den Obstbau. Anfangs waren Ackerbau und Viehzucht die wichtigsten Betriebszweige. Mit dem steigenden Bedarf der nahen Stadt Hamburg weiteten sich die Obstanbauflächen aus. Bereits 1657 soll es in Hasselwerder 50 Höfe gegeben haben, die Obst anbauten.

Der Obstbau in Neuenfelde

Schon sehr früh hat man sich, auch in unserer engeren Heimat, mit dem Anbau von Obst befasst. Die Großstadtnähe, fruchtbarer Marschboden und gute Klimaverhältnisse sowie die verhältnismäßig kleinen Betriebsgrößen schafften hierfür beste Voraussetzungen. Ein erstes Obsthofverzeichnis aus dem Jahre 1657, wie es von H. P. Siemens in seinem Buch „Das Alte Land“ angeführt ist, besagt, dass es in Hasselwerder schon damals 50 Höfe gab, auf denen Obst angebaut wurde. Derselbe Autor schreibt in „Der Obstbau an der Niederelbe“: „Der größte Obsthof von 3 2/3 ha befand sich damals im Besitz von Hans Stehr zu Hasselwerder ...“ In früheren Zeiten sah ein Obsthof allerdings anders aus als heute. Es wurden fast alle Obstarten angebaut, vom frühreifen Beerenobst über Kirschen und Pflaumen, den Sommeräpfeln und Birnen und den, auch ohne maschinelle Kühlung, bis in den späten Winter haltbaren Apfelsorten. Zwar waren Ackerbau und Viehhaltung früher die wichtigsten Betriebszweige; aber das Obst war zusätzlich eine gute Einnahmequelle.

Mit dem ständig steigenden Bedarf in der nahen Großstadt weiteten sich dann auch die Anbauflächen für Obst aus. Transportprobleme für den Absatz gab es nicht, weil schon damals von den diesseitigen Nebenflüssen und Fleeten reger Schiffverkehr zum gegenüberliegenden Ufer stattfand. Bald wurde aber nicht nur Hamburg versorgt, die Schiffe brachten einen Teil des Obstes über Nord- und Ostsee in die anliegenden Länder.

Besonders selten und deshalb auch kostbar waren farbige Äpfel. Züchtungen durch Kreuzung gab es anfangs nicht, man war auf Zufallssämlinge angewiesen. So ein Sämlingsbaum mit leuchtend roten Äpfeln stand bei Johann Quast in Liedenkummer (jetzt: Nincoper Straße 146). Die von diesem Mutterbaum stammenden Äpfel nannte man „Quast-Äpfel“. Der Besitzer wickelte sie in Seidenpapier und verschickte sie nach St. Petersburg in Russland, so die mündliche Überlieferung. Aufgrund ihrer natürlichen Wachsausscheidungen nannte man sie später „Schmalzprinz“. Zahlreiche Bäume wurden in Neuenfelde und der näheren Umgebung mit dieser Sorte veredelt.

Der neuzeitliche Obstanbau ist mit den alten Anbau- und Vermarktungsmethoden nicht mehr zu vergleichen. Die hiesige Erzeugung ist dem Konkurrenzdruck aus der ganzen Welt ausgesetzt und deshalb mussten, besonders in neuerer Zeit, umfangreiche Modernisierungen vorgenommen werden, um gegenüber anderen Anbaugebieten bestehen zu können. Es wurden geschlossene, einheitliche Obstanlagen mit niedriger Baumform und marktkonformen Sorten erstellt, die mit neuzeitlichen Maschinen bearbeitbar sind. Das wiederum erforderte die Beseitigung der störenden Gräben mit anschließender Dränierung der Flächen. Um die verstärkt frostgefährdeten, schmackhaften neuen Sorten, die heute ausschließlich vom Verbraucher verlangt werden, vor Blütenfrost zu schützen, wurden großflächig Beregnungsanlagen installiert.

Trotz dieser und vieler anderer Modernisierungen lassen sich Weichobst sowie frühreifende Äpfel und Birnen oftmals günstiger in wärmeren Gegenden erzeugen. So kommt es, daß in unserem Gebiet überwiegend Lageräpfel angebaut werden. Die Bevölkerung kann jedoch fast das ganze Jahr mit heimischem Obst versorgt werden, weil in Speziallägern die Langzeitlagerung möglich ist.

Durch Spezialisierung auf eine einzige Kultur mit nur wenigen Apfelsorten wird die Wirtschaftlichkeit der Betriebe zwar erhöht; aber bei dieser einseitigen Produktionsweise und dem hohen Kapitaleinsatz steigt auch das Risiko. Durch nichtbeeinflussbare Witterungseinflüsse wie Hagel, Sturm, starke Kälteeinbrüche im Winter oder auch durch negative Veränderungen im Marktgeschehen kann der Obstbauer manchmal um den Erlös seiner Mühen eines ganzen Jahres gebracht werden.

In neuerer Zeit ist auch das Umweltbewusstsein gestiegen, so dass der Verbraucher nur mit möglichst wenig Chemikalien behandelte Früchte haben möchte. Obgleich ohnehin nur rückstandsfreie Ware vermarktet werden darf, soll darüber hinaus bei der Produktion auch die Umwelt geschont werden. Wir denken dabei besonders an das Grundwasser. Deshalb produzieren heute fast alle Obstbauern nach der integrierten Methode „im Einklang mit der Natur“, wobei nach strengen Maßstäben und scharfen Kontrollen nur umweltschonend gearbeitet werden darf. Neuerdings werden schon einige Betriebe auf ökologische Produktion umgestellt. An diese schwer zu handhabende Produktionsweise werden noch weit höhere Anforderungen gestellt, und es ist dabei auch eine Verringerung der Erntemenge hinzunehmen.

Man sieht an diesen Bemühungen, dass der Altländer, wie auch in früheren Zeiten, sich den Erfordernissen der Zeit anzupassen versteht. Oftmals aber übersteigen die harten Anforderungen durch den Wettbewerb in der sozialen Marktwirtschaft die Kraft der Betriebe. Maßgebende Stellen haben erkannt, dass Hamburg mit diesem Teil des Alten Landes ein Kleinod besitzt. Deshalb wurden integrierter und ökologischer Obstbau sowie verschiedene andere vorhergehende Verbesserungsmaßnahmen in Anbau, Lagerung und Vermarktung von Seiten der Regierung finanziell unterstützt.

Trotz allem berührt es schmerzlich, dass viele Betriebe den Obstbau aufgeben mussten und auch schon ein erheblicher Teil der seit Generationen vom Vater auf den Sohn vererbten Ländereien sich nicht mehr in bäuerlicher Hand befinden. Es bleibt zu hoffen, dass diese Entwicklung sich nicht auf Dauer fortsetzt und diese wesentlich vom Obstbau mitgeprägte Landschaft noch lange Zeit erhalten bleibt.

Aus „Unser Neuenfelde“ 1996 herausgegeben vom Heimatverein „900 Jahre Neuenfelde e. V.“